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Monday, September 2, 2024

SEBALD UND REIMANN IN DER ÜBERSETZUNG GEFUNDEN – eine Kurzgeschichte mit Bildern und Links

  

 

SEBALD UND REIMANN IN DER ÜBERSETZUNG GEFUNDEN – eine Kurzgeschichte mit Bildern und Links

 

Ja, sag doch mal, wie bist du auf die Reimann gestoßen? fragte meine Schwägerin, Emily, auf Englisch, um meine Frau, Jane, höflicherweise im Gespräch einzubeziehen, weil sie ja Englischsprachlich ist, obwohl sie auch schon ein bisschen Deutsch sprechen kann. Jane ist ja in Nairobi in Kenia geboren, und wenn ich das als Information auch an liberale Leute weitergebe, die die Jane noch nicht getroffen haben, dann bekomme ich oft betroffene Blicke, die eine leicht rassistische Attitüde hervorrufen – ist sie vielleicht schwarzer Hautfarbe? Ja, antwortete ich Emily, das war reiner Zufall, oder vielleicht auch nicht, weil Jane dieses Buch gefunden hat. Bei ihrer on-line Suche nach Büchern bei der Auckland Library gibt sie immer German als Suchwort ein um deutsche Bücher für mich zu finden. Also gemeint sind deutsche Autoren Bücher auf englischer Übersetzung. Und so hat sie Reimanns ‚Siblings‘ (Geschwister) gefunden und für mich bestellt. Also, das habe ich nun alles auf deutsch gesagt, weil meine Frau außer Hörweite war, und Emily sehr gut Deutsch versteht, obwohl sie Amerikanerin aus Cincinnati ist. Sie lebt mit meinem Bruder, Bernhard, schon seit ewig vielen Jahren in Ingolstadt, hat als junge Frau in München Medizin studiert und so meinen Bruder getroffen und geheiratet, der ebenfalls Medizin studierte. Emilys Vorfahren waren deutsche Auswanderer und somit war ihr Interesse an alles Deutsche erwacht, hat Deutsch an ihrer High-School in Cincinnati gelernt und dann auch am College Deutsch genommen (Biologie als Hauptfach) und hat sich dann als Austauschstudent an der LMU beworben und wurde so fürs Medizinstudium an der LMU angenommen. Der Rest ist Geschichte, wie das englische Sprichwort auf Deutsch heißt. Ich hatte Emily gebeten mir die deutsche Fassung von Brigitte Reimanns ‚Geschwister‘ aus Deutschland mitzubringen. Sie waren nun auf Besuch zu uns in Auckland, Neuseeland wo meine Familie und ich nun schon lange wohnen. Zum ersten Mal war ich in Neuseeland als Tourist, so um 1971, und bin dann später im Jahr 1973 echt nach Neuseeland ausgewandert. Das war alles ganz politisch einmalig, denn für meinen Auswanderungsantrag hatte ich damals keinerlei Qualifikationen – ich hatte mein Psychologiestudium an der LMU in 1970 abgebrochen, um auf Weltreise zu gehen – aber glücklicherweise war damals gerade die neuseeländische Labour Party an der Regierung, unter Norma Kirk, der eine Flottille nach Mururoa in Tahiti geschickt hatte, um gegen die französischen Atomtests zu protestieren. Das Schiff der Greenpeace war auch dabei das später im Jahr 1985 von den Franzosen unter Mitterand in Auckland in die Luft gesprengt wurde und zum Tod vom Fotografen Fernando Pereira führte. 

 


 


 

 

Zu dieser Zeit war ich der APO in München aktiv und protestierte mit einer Gruppe auch gegen die französischen Atomtests. Wir reisten sogar nach Bonn, um dort vor der französischen Botschaft einen Sarg abzustellen. Wir hatten Kontakt mit einigen neuseeländischen Aktivisten, und einer von ihnen, der Friedensaktivist Barry Mitcalfe (1930 – 1986) hatte mir zum Auswanderungsantrag einen Unterstützung Brief geschrieben. Ich hatte auch einen Arbeitsangebot via meinem neuseeländischen Freund John – den ich schon in Bali kennengelernt hatte – um in einem Motorrad Geschäft zu arbeiten. Ich hatte natürlich null Ahnung von den damals in Neuseeland beliebten englischen Motorrädern (John hatte eine Triumph Bonneville) aber das hat niemand von der neuseeländischen Einwanderer Behörde interessiert. Nur gut, dass ich gegen die französischen Atomtests war! 

 

Emily und Bernhard wussten diese Geschichte natürlich, aber jetzt im Jahr 2024 gab es auch andere Geschichten, weil wir uns seit mindestens fünf Jahren nicht mehr gesehen hatten. Das Gedächtnis an die Vergangenheit kommt aber immer wieder vorbei: da mein jüngerer Bruder und ich auf dem Gymnasium Ho’gau (Hohenschwangau) Schüler waren (ich als Heim Schüler, Bernhard als Tages Schüler) ging es eben auch wieder einmal um die ehemaligen Mitschüler, und was die alles so machen – wenn sie überhaupt noch leben. Einer meiner besten Schulfreunde, Paul, kam aus Immenstadt (ich kam aus Rottenbuch, Bernhard aus Steingaden – das kann ich wegen Wortzahl Einschränkung nun nicht erklären). Ich hatte schon lange den Kontakt mit ihm verloren. Paul und seine Freundin Maria hatten uns damals noch in West-Berlin besucht, als dort unsere Tochter Tania geboren wurde – und sie hatten uns eine sehr schon gestrickte Babydecke geschenkt, und diese Decke haben wir immer noch, und zeigten sie Bernhard und Emily, die nicht aus dem Staunen herauskamen. Bernhard sagte, dass er den Paul vor ein paar Jahren mal angerufen hatte – Paul war als berühmter Radiologe schon pensioniert – und er nach mir gefragt hatte. Daraus wurde nichts, aber als Bernhard und Emily wieder zurück nach Ingolstadt kamen, da rief Bernhard den Paul nochmals an und nun Erfolg: Emails worden ausgetauscht und weil Bernhard ihm dann ein Paar Fotos von Neuseeland geschickt hatte und Paul gefragt hatte ob er ein Paar Bilder von ihm zuschicken könne, antwortete Paul mit einem Link zu einer Bayrischen Literatur Organisation, die ein Essay von ihm veröffentlicht hatten, mit einem Autoren Bild von ihm. Das hat mir Bernhard dann weitergeleitet.

 

Aber zurück zuerst zu Brigitte Reimann: ich muss zugeben, dass ich kaum DDR Literatur gelesen habe, außerhalb von Bertolt Brecht, der vielleicht gar nicht dazu zählt obwohl er doch noch in die DDR zurückgekehrt war. Meine Abiturklasse (1969) hatte einen außergewöhnlichen Deutschlehrer – inmitten der vielen ehemaligen Nazis – der eine Abiturreise nach Ost-Berlin organisierte um dort das Brecht Stück ‚Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui‘ anzusehen. Das hat mich und sicherlich auch Paul sehr geprägt. Zur Abiturabgangsfeier verteilten wir in der Nacht zuvor selbstgemachte Plakate die nach Orwells ‚Animal Farm‘ – auch der English Lehrer war eine Ausnahme uns diese Lektüre anzuvertrauen – den berühmten Schweine-Slogan ,all animals are equal but some are more equal‘ umdrehten auf ‚all pigs are equal but some pigs are more equal‘ mit der Übersetzung drunter als ‚alle Lehrer sind gleich aber einige sind gleicher‘ mit Karikaturen die die Lehrer als Schweine zeigten. Der Direktor und seine Lehrer – außer dem Englisch und Deutsch Lehrer – drehten durch, wollten die Polizei rufen, und die angereisten Eltern waren sich uneinig wer der verrücktere war: das Direktorat oder die Schülerschaft? Die Abiturfeier wurde abgesagt und die Eltern bekamen die Abitur Zertifikate ihrer Sprösslinge draußen vor der Tür. Ich habe immer noch die Kopie des ‚Animal Farm‘. Auch eine englischsprachliche Biografie über Berthold Brecht von Frederic Ewen ist in meiner Privatbibliothek gut platziert. Und noch ein anderes prägendes Beispiel aus unserer Schulzeit: unser Geschichtslehrer wollte unbedingt nichts vom Holocaust wissen, so haben wir an das Simon-Wiesenthal-Center geschrieben und um Lehrmaterial gebeten. Sie schickten uns ein Packet, auch mit grausamen Bildern aus den Konzentrationslagern, die wir dann unserem Geschichtslehrer zeigte. Der lief sofort zum Direktor, der uns dann drohte, uns aus der Schule zu werfen. Vielleicht waren beide damals in Sonthofen und haben den Himmler angehimmelt. Zumindest war unser Direktor ein Freund von Heinrich Harrer – der erst 1996 als Obernazi entlarvt wurde – der immer bei uns in der Schule große Reden gehalten hat, vom Bergsteigen natürlich. 

 

Aufgewachsen in Bayern in Familien von Sudetendeutschen habe ich immer die Propaganda von den bösen Russen – im Jahr 2024 ist das vielleicht eine andere Frage: spinnt der Putin noch mehr wie der Biden? -  und noch böseren Kommunisten in der DDR gehört und alles gut geglaubt, bis Orwell und Brecht durch meinen Kopf gelaufen sind – dank einen paar guten Lehrern, und auch dank dem Zeitgeist der 60er Jahre die ich erst in England als Austauschschüler in1968 erlebt habe: die englischen Schüler meines Alters spielten dort die Schallplatten von den Rolling Stones und lasen über Zen Buddhismus. Sofort lies ich mein Haar lang wachsen und später als Student in Münchens Schwabing gings in die Kommunen, Drogen und Krautrock (ein paar Schüler von Bernhards Klasse waren in der berühmten Amon Düül Band) und Sex. Kein Wunder ich wanderte die nächsten zehn Jahre als ‚vergammelter‘ Hippy um die Welt. Kurz nach der Wiedervereinigung war ich auch mal in Potsdam, eingeladen vom Linguistik Institut der Potsdam Universität, weil ich in der Zwischenzeit in Neuseeland ein Experte für Polynesische Sprachen geworden war, und sie wollten ein linguistisches Projekt starten, um die verschiedensten Sprachen der Welt zu vergleichen. Potsdam war noch das echte Ost-Berlin: Schusslöcher in den Häuserwänden, noch vom Zweiten Weltkrieg, klapprige Trabis, traurige Überbleibsel von sozialistischen Parolen und der schlimme Verdacht von den einheimischen Akademikern, dass der kapitalistische Westen nun alles besser weiß – wenn auch die je beste neue deutsche Grammatik von den DDRlern geschrieben wurde (jetzt auch noch in meinem Bücherregal). Man kann also gut sehen, wo meine Sympathien liegen, und damit bin ich auch mit Bernhard und Paul einig. Reimanns ‚Siblings‘ war nun eine Lektüre die mich ziemlich erschüttert hat: die Protagonistin glaubt also ehrlich an den Sozialismus in der DDR und bringt ihren jüngeren Bruder davon ab in den Westen zu gehen – das ist noch bevor der Mauerbau als man ohne weiteres zwischen Ost- und West-Berlin reisen konnte (also wir in den 70ger Jahren in West-Berlin waren, wo unsere Tochter geboren wurde, wohnten wir in Kreuzberg, nicht weit von der Mauer – und noch einen Witz bitte: um das Kindergeld zu bekommen mussten wir heiraten und das taten wir im Bezirk Wedding, hahaha, ‚wedding‘ ist Englisch für Heiratsfeier, und da gibt’s auch noch eine andere lustige ‚wedding‘ Geschichte die Bernhard und Paul gut kennen, die aber hier nicht Platz hat wegen der literarischen Beschränkung). Also wie gesagt, der (ziemlich autobiografische) Roman von Brigitte Reimann, auf Englisch, hat mich sehr beindruckt.

 

Als Linguist kam ich dann auf die Idee dass ich die originale deutsche Fassung lesen sollte um eine These zu beweisen die mich als theoretischer Linguist und praktischer Lexikograph schon lange beschäftigt, nämlich dass im Prinzip alle Sprachen gleich sind, beruhend auf der ‚Universal Grammar (universale Grammatik)‘ wie entwickelt von meinem Freund Noam Chomsky - ich habe ja immerhin ein Buch, auf Englisch, über ihn geschrieben – und dass daher die Übersetzung von einer Sprache in die andere durchaus möglich ist, ohne dass dabei etwas verloren sein kann, so wie mythologisiert in dem dummen Film ‚Lost in Translation‘ und mehr ernst behauptet von Linguisten – die alle gegen den Chomsky sind – dass die Sprachen der Welt so verschieden sein können, dass Übersetzung kaum möglich ist. Angeblich beeinflussen die so verschiedenen Sprachen auch das Denken, und wenn man auch eine Fremdsprache lernt und studiert, so kann man sich nie in das einheimische Denken einfühlen, das auch von unzugänglicher Kultur geprägt ist. So ein Schmarrn, wie die Bayern so schön sagen, regt mich schon immer auf, und so habe ich auch Emily gefragt ob sie mir die deutsche Fassung von Reimanns ‚Siblings‘ aus Ingolstadt mitbringen kann, und das hat sie auch getan. Das habe ich dann fleißig gelesen und festgestellt, ohne Zweifel, dass die Übersetzerin, Lucy Jones, eine sehr gute Arbeit geleistet hat, so gut in der Tat, dass ich sogar erwägt habe, dass die englische Fassung vielleicht sogar besser ist als die deutsche. Übersetzer sind natürlich unsichtbar, und werden nur mit einem Wort erwähnt:


 

 

 

Solche Sachen interessieren nur Leute wie mich. Also habe ich sofort nachgeforscht, wer diese Lucy Jones eigentlich ist. Heutzutage beginnt alles mit Google und habe gleich herausgefunden, dass Lucy Jones eine ziemlich weite on-line Präsenz hat. Also ganz berühmt unter den Übersetzern, zu mindestens die heutzutage in Berlin wohnen. Da haben die englischen Auswanderer sogar ihre eigene Webseite, wo auch Lucy Jones erscheint und über ihre Übersetzung berichtet:

 

https://www.exberliner.com/books/lucy-jones-brigitte-reimann-siblings-translation-ddr-interview-penguin/

 

Und dann hat sie auch ihre eigene Webseite -zusammen mit einer deutschen Übersetzerin- wo wir noch genaueres über ihren Lebenslauf erfahren können (lieber Leser haben sie bitte Geduld, denn das wird alles gleich zur Pointe führen):

 

I grew up in Hertfordshire, England, have a BA in German and Film from the University of East Anglia where W.G. Sebald was my tutor and completed an MA in Applied Linguistics at the University of Surrey in 2008. In the 1990s, I worked as a freelance photographer (people, fashion) in Barcelona and Hamburg before continuing to work in this area and the club scene in Berlin from 1998 onwards.

 

https://transfiction.eu/lucy-jones/education/

 

Auch wenn Sie kein Englisch kennen, so können Sie doch einen besonderen Namen erkennen, nämlich ‚W.G. Sebald‘, ein Name, der mir ehrlicherweise nicht viel sagte, nur dass ich im Guardian schon mal öfters etwas über ihn gelesen hatte, so als berühmter deutschsprachiger Autor, der viele Jahre an der East Anglia Universität Deutsch gelehrt hatte, bis er bei einem Autounfall gestorben war. Also habe ich das kaum registriert, dass Lucy Jones unter W.G. Sebald Deutsch studiert hatte, abgesehen davon, dass man daher annehmen kann, dass ihr Deutsch Kenntnis sehr gut sein muss.

 

Also habe ich mein Essay so konzipiert, dass ich die deutschen und englischen Texte genau vergleichen werde, um zu beweisen, dass Übersetzung prinzipiell möglich ist – im Gegensatz zu den verrückten Linguisten, die das ablehnen, und lächerlich machen – und sogar besser sein kann als das Original. Ich möchte damit niemanden im Detail langweilen, aber Sie können ja bei mir nachfragen, wenn Sie eine Kopie davon lesen wollen, insbesonders wenn Sie zufällig auch ein/e Übersetzer/in sind und noch dazu wissen das W.G. Sebald auch Übersetzung gelehrt hat und dazu noch ein britisches Übersetzungsinstitut (British Centre for Literary Translation) gegründet hat:

 

https://nationalcentreforwriting.org.uk/british-centre-for-literary-translation/#:~:text=The%20British%20Centre%20for%20Literary,the%20support%20of%20literary%20translation.

 

Und nun zum Zufall aller Zufälle (manche nennen es Schicksal, das in den Sternen geschrieben ist): wie schon oben angedeutet, nachdem mein Bruder mit Paul wieder Kontakt aufgenommen hatte und um Bildaustausch fragte, und dann diesen Link bekam, den ich dann aufmachte, und ich konnte es eigentlich kaum glauben:

 

https://www.literaturportal-bayern.de/journal?task=lpbblog.default&id=2882

 

ein Essay mit dem Titel:

 

Il ritorno della memoria, oder: Die Reise zu W. G. Sebalds Grab

 

Hab ich natürlich gleich gelesen – sehr gut geschrieben und sehr interessant! Und da geht mir gleich das Licht auf: W.G. Sebald in Wertach geboren, ganz in der Nähe von Immenstadt, wo Paul herkommt, Sonthofen, die muffige Kleinstadt, die Burg, die Berge der Umgebung, auch nicht so weit entfernt von unserem Ho’gauer Gymnasium, Sebald der anti-Faschist, Sebald der zweisprachige Auswanderer. Hab auch gleich den Paul per email gefragt wie er auf den Sebald gekommen ist und er sagte dass er schon früher auf ihn gestoßen ist und als er vom Sebald Weg erfahren hat – Paul und seine Frau sind große Wanderer – und auch von der Sebald Gesellschaft und deren Literatur Preisausschreiben, da hat er sich hingesetzt und hat dieses Essay geschrieben. Paul fängt unter anderem mit einer lustigen Stink Anekdote an:

 

Einen solchen Edel- und Stinkkäse hatte auch W. G. Sebald eines Tages in seinem Briefkasten vorgefunden, nachdem der englische Postbote beim Einwurf der Sendung gut hörbar den Fluch „bloody foreigners“ ausgestoßen hatte. Sein Schulfreund J. K. hatte ihm den Käs auf seinen Wusch geschickt und Sebald war aufs angenehmste von der heimatlichen Duftnote überrascht worden.

 

Allgäuer Stinkkäse ist doch weltberühmt in Oberbayern, und das ist schon wieder ein galaktischer Zufall: mein Bruder ist doch auf dem Fabrikgelände der Firma Hindelang (der Sebald Weg fängt komischerweise in Bad Hindelang an) in Steingaden aufgewachsen -warum und wieso lasse ich jetzt aus – so dass sogar meine Großmutter und ich, die in Rottenbuch wohnten -warum und wieso lasse ich jetzt aus –, immer gut mit Käse versorgt waren. ‚So'n Käs' hätte sicherlich der Sebald auf gut Bayrisch gesagt. 

 

Hierzu muss ich noch beifügen, dass ich mein Hochdeutsch schon ein bisschen vergessen habe und ich mich in meinem hohen Alter viel besser an das Sudetendeutsch-Bayrische erinnern kann – aufgewachsen bin ich ja bei dem sudetendeutschen Dialekt meiner Großmutter – das bei uns im Dorf damals bei den echten Sudetendeutschen noch echt gesprochen wurde. Es gibt ja sogar Versuche auf Bayrisch zu schreiben – Emily hat mir dazu ‚Bavarian into English‘ von Otto Hietsch geschenkt – aber als Linguist muss ich ja sagen dass echter Dialekt nur gesprochen werden kann – so wie sich die Sprachen ja auch allgemein entwickelt haben – und wenn man versucht es niederzuschreiben, so ,erniedrigt‘ man es ja, obgleich heutzutage das geschriebene Hochdeutsch oft viel ,höher‘ eingeschätzt wird. Immerhin gibt es ja eine gewisse Wiederbelebung der gesprochenen Sprache im Internet bei den Podcasts und auch bei dem Millionen von Videoclips, nur dass wie vieles im Internet alles nur Scheisse ist (,excuse my French‘, wie sie auf Englisch so sagen), so wie die vielen Demagogen gern den Hitler nachahmen, der ja immer große Reden gehalten hat, die viele Deutsche hypnotisiert haben – und ein paar anderen das Gruseln gelernt hat. Auf jeden Fall habe ich wegen meiner allgemeinen Schreibfaulheit diese Geschichte erst aufs alte Tonband aufgenommen, auf gut Bayrisch-Sudetendeutsch natürlich, und weil man so eine Tonbandaufnahme nicht ins Preisausschreiben einreichen kann, habe ich Herrn Professor Dr. (habilitiert) Valentin gebeten das alles ein bisschen ins Niederdeutsche (mit Bayrischen Beigefühl) zu übersetzen, so dass es auch die Preußen in Sonthofen lesen können. Der hat mir nur sein Zitat zugeschickt -vom Jenseits - "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut" so dass ich die Aufgabe an einen anonymen Übersetzer in Wertach gegeben habe, dessen Version Sie nun lesen, und ich entschuldige mich gleich für seine Unfähigkeit, obwohl das seine beste Arbeit seit Jahren ist.    

 

Also (schreibt der Übersetzer) wir haben Bernhard und Emily nicht gebeten uns ,so’n Käs‘ aus Ingolstadt mitzubringen, weil hier in Neuseeland das ganze Land auf Milchwirtschaft steht, und auch einigermaßen guter Käse gemacht wird. Um sie zu überzeugen sind wir nach Puhoi im Norden von Auckland gefahren, wo Böhmische Auswanderer 1863 ein kleines Dorf gegründet hatten, und natürlich den Einheimischen das Käsemachen gelernt hatten. Deutsche Touristen sehen sich gerne das kleine Museum an, und trinken danach Neuseeländisches Bier im Biergarten. Die Geschichten der Böhmischen Auswanderer klingen fast so wie die in Sebalds ,The Emigrants‘ (translated from the German by Michel Hulse), nämlich die von dem Ambros Adelwarth, dem seine Familie während der Weimar Jahre nach Amerika ausgewandert waren. Jemand müsste mal eine umfassende Geschichte deutscher Auswanderer schreiben. Das Klischee ist das von den fleißigen, tüchtigen Leuten, die ein besseres Leben finden wollen als in ihrer alten Heimat, die aber irgendwie ihre Heimat nie verlassen, indem sie einfach eine ‚neue‘ Heimat aufbauen, sogar oft den Namen nach von ihrer Heimat. So ist in der Neuen Welt dann alles ‚New-, wie New Ulm in Minnesota. Die deutschen Auswanderer nach Amerika sind natürlich Legende, gut und schlecht, so wie Emily auch aus ihrer Einwanderer Geschichte genau weiß: Söhne und Töchter von Deutschen Einwanderern werden berühmt, so wie J. Robert Oppenheimer der jetzt in allen Kinos herumgeistert, und ein gewisser Donald Trump dem seine Vorfahren angeblich aus Kallstadt kommen – so wie auch die Heinz Familie, die zur einer der größten Lebensmittel Konzerne der Welt aufstiegen. Kaum zu glauben! Deutsche Auswanderer in Neuseeland haben weniger solche Eindrücke verlassen, weil Neuseeland erst von weniger als 200 Jahren von Einwanderern übernommen wurde, also ohne Einladung von den einheimischen Maori, was dann weiterhin zu Kriegen zwischen den Maori und den Einwanderern gekommen ist. Diese Geschichte des Kolonialismus in der Neuen Welt ist eng verbunden mit der Geschichte der Migration. Mit Bernhard und Emily sind wir mit unserer Tochter, Tania (in Berlin geboren), und ihrem Partner, Tuwharetoa – der Maori ist – und deren zwei Kinder (die sich auch als Maori identifizieren) nach Tokaanu gefahren wo sein anzestraler Marae ist. Als Verwandte sind wir sehr freundlich empfangen worden, weil wir wahrscheinlich ein Beweis dafür sind, dass Maori und eingewanderte Europäer gut miteinander auskommen können, auch wenn man die Geschichte der anderen Einwanderer nicht verleugnen kann, die die Maori abgemetzelt und ihr Land gestohlen haben. Sebalds Ambros Adelwarth kommt dabei nicht auf die Indianer zu sprechen. Vielleicht im tiefen Unterbewusstsein hat ihn das schon gestört, als er als alter Mann sich in ein Asyl einquartieren ließ. Andererseits könnte es eine allgemeine Auswanderer Krankheit geben, wobei das neue Leben im Endeffekt keinen Anker hat, so wie Sebalds Dr Henry Selwyn. Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun das dem Glauben vieler indigenen Menschen widerspricht, nämlich dass das anzestrale Land – die Erde – die Gebeine der einheimischen Menschen wieder zurückfordert. Wenn man in fremden Ländern stirbt, wird man nie zur Ruhe kommen. Was aber wenn man von seinem Land vertrieben wird, so wie meine Großmutter, die nach dem 2. Weltkrieg aus Jauernig in der damaligen Tschechoslowakei vertrieben wurde, obwohl sie sicher keine Schuld daran hatte, dass der ‚sudetendeutsche‘ Faschist Henlein mit Hitler die Annexion vorbereitete? Als sie in Oberbayern ankam und auf einen kleinen Bauernhof in Rottenbuch abgeschoben wurde, da brach eine Welt zusammen. Trotzdem, auf Grund weiterer tragischen persönlichen Geschehen, hat sie mich erzogen und als sie im Jahr 1967 starb, ist meine Welt zusammengebrochen, so dass ich zum ewigen Weltenwandrer wurde, ohne Wurzel – aber vielleicht sinken meine Füße trotzdem langsam in die neuseeländische Erde. Kürzlich las ich die Geschichte von Richard Flanagan, dem australischen Schriftsteller, der aus Tasmanien kommt, und dem seine irischen Vorfahren als Sträflinge nach Tasmanien verfrachten worden waren - ohne je in ihre Heimat zurückzukommen – und unter Britischer Kontrolle fast die ganze einheimische Bevölkerung ausrotteten, wie soll man sich das alles vorstellen als Sohn von Einwanderern, die überhaupt nicht auswandern wollten? Sebalds Auswanderer, im Geist und im Körper sind alle geplagt von einem Heimweh, das sie sich nicht erklären können, vielleicht weil es dazu keine Erklärung geben kann. Emily, hingegen als amerikanische Einwanderin in Deutschland fühlt sich wohl und hat keine Pläne nach Amerika zurückzukehren, auch weil heutzutage man schnell mit dem Flugzeug von München nach Washington in ein paar Stunden fliegen kann, so dass man nicht unbedingt Deutscher ist, sondern Einwohner des ‚global village‘. Neuseeland hingegen liegt immer noch weit entfernt vom globalen Geschehen, so wollen wir nächste Woche von Auckland nach Shanghai fliegen, was mit einem Stopover immer noch 16 Student dauert. Dort wollen wir unseren Sohn, Rangi, und seine Familie besuchen, der an einer Uni Linguistik lehrt. Rangi ist in Auckland geboren, ist hier aufgewachsen, hat seine Doktorarbeit an der University of Auckland gemacht, hat längere Zeit in Taiwan gelebt und gearbeitet, hat eine Taiwanerin geheiratet, sie haben zwei Söhne, und den älteren unterrichtige ich nun regelmassig Deutsch per on-line Konnexion. Leider haben wir unserem Sohn hier in Neuseeland nie Deutsch beigebracht und so muss ich nun als Strafe das beim Großenkel nachholen, der dann dreisprachig sein wird, Englisch, Chinesisch und Deutsch. Obwohl er beteuert, dass er nicht Linguist wie ich und sein Vater werden will, könnte ich mir gut vorstellen, dass er eines Tages in Norwich landet um am British Centre for Literary Translation seinen MA in Literary Translation macht, und dann Sebalds Werke ins Chinesische übersetzt. Er könnte auch überprüfen, ob die chinesische Übersetzung aus dem Englischen meines Chomsky Buches einigermaßen gut ist:

 

 

 

 

Und (schreibt der Übersetzer aus Wertach) natürlich kann er dann mein Chomsky Buch ins Deutsche übersetzen, weil das noch niemand, wie der Valentin, gewagt hat (es gibt aber schon Türkische, Hebräische und Koreanische Übersetzungen). Sprachen sind ja wie die biologische Artenvielfalt – dumme Ökonomen haben zwar berechnet dass es ökonomisch besser wäre wenn wir nur eine Baumart, Pinus Radiata, anpflanzen, weil es viel ökonomischer wäre sie dann einheitlich mit nur einer Roboter-Maschine zu verarbeiten, aber die vernünftigeren Biologen haben darauf hingewiesen dass ein einziger Virus eine Baumart vernichten kann und wir somit überhaupt keine Bäume mehr hatten – und so ist es auch mit Sprachen: die biblische Geschichte ist ja genauso blöde, so ein Schmarrn, hätte sicherlich auch Paul Bereyter auf Französisch gesagt, dass der katholische Gott die verschiedenen Sprachen erfunden um die Menschen zu verwirren und zu bestrafen weil sie einen Turm in den Himmel bauen wollten. Einfältige Menschen sehen die Vielfalt immer als Strafe. Linguistische Vielfalt garantiert unser Überleben, so, wenn auch Englisch einem Virus unterliegt, dann gibt’s immer noch Bayrisch im Allgäu, und ein paar hundert andere Sprachen, mit denen wir uns untereinander unterhalten können, wenn wir mit Paul und Paul B (unbemerkt) den Sebald Weg entlang gehen. 

 

 

  

Vielleicht sollte man alle Straßen und Wege in Deutschland auf Namen der Ausgewanderten umbenennen, obwohl das auch seine Gefahren mitbringen könnte: Sebalds Ausgewanderten sind ja halb echt und halb fiktiv, so wie der fiktive Max Ferber der angeblich auf dem echten Frank Auerbach basiert, der sich aber geweigert hat in der englischen Übersetzung enttarnt zu werden. So lesen wir das jedenfalls bei:

 

Vertigo, where literature and art intersect, with an emphasis on W.G. Sebald and literature with embedded photographs.

 

https://sebald.wordpress.com/category/max-ferber/

 

Ist ja erstaunlich, was die Sebald Industrie alles hervorbringt (z.B. https://www.wgsebald.de/home.html ): und ich hatte gedacht, dass ich ganz originell bin  beim Nachahmen von Sebalds ‚embedded photographs‘ die ich natürlich auch so auf ein bisschen Schwarz-weiß abgefälscht habe, aber trotzdem ungefähr nach APA 7th referenziere, falls sie nicht meine eigenen sind, damit mir niemand Plagiats Vorwürfe machen kann -vielleicht könnte man das beim Sebald machen in Fall vom Ferber - , so wie es ja die Mode ist jetzt in Deutschland bei berühmten Leuten, die sich mit abgeschriebenen Doktorarbeiten verehren. Der deutsche Pass ist wohl der einzige in der Welt in dem man seinen Doktortitel vor seinem Familiennamen setzen kann. Der Herr Dr. Sebald ist wohl die echte Sache. Das hat manchmal schon einen Vorteil: mein Bruder wurde bei einem Flug nach Tokyo als ‚Doktor‘ von seinem Flugticket identifiziert, und weil er auch ein echter Arzt ist hat er gleich einem Passagier sein ,Unbewusstsein‘ diagnostiziert und ihn dazu behandelt, bis er noch am Leben in Tokyo ankam, und dafür bekam er eine echt gute Flasche Champagner. Es wäre mir peinlich, wenn ich als Doktor der Philosophie (PhD) zur Lebensrettung aufgerufen würde, und nur was Allgemeines über Leben und Tod diagnostizieren könnte. Dr. Sebalds halb fiktiver Auswanderer, Dr Henry Selwyn‘ ist auch ein anderes linguistisches Phänoma:  dass sich viele Auswanderer englische Namen annehmen (oder zumindest anglisieren) um nicht im Telefonbuch aufzufallen, oder vielleicht weil die Englischsprachigen immer Schwierigkeiten haben fremde Namen auszusprechen. Zumindest also sollte Deutschland offiziell zu Germany umbenannt werden, was ja viel besser klingt als die ungewisse Etymologie des ‚Deutschen‘ als ‚täuschen‘, und so würden sich die Englischsprachlichen weniger wundern, warum Englisch eine Germanische Sprache sein soll. Sebalds Ferber ist da schon ein bisschen extrem, wenn er sagt, dass er - wohl aus Protest -  kein Wort Deutsch mehr gesprochen hat, seit er Deutschland als Kind verlassen hat, denn Deutsch als Sprache ist ja nicht schuld daran, dass die Nazis Deutschland für immer ruiniert haben. Ich glaube auch kaum an das, was einige Literaturkritiker dem Sebald zugeschoben haben, nämlich dass seine deutsche literarische Sprache der des 19. Jahrhunderts ähnelt, weil er eben angeblich das ‚Neudeutsche‘ der Nachkriegszeit – immer noch von den Nazis infiziert – vermeiden will. Sein Stil, der mich schon ein bisschen an Nietzsche erinnert – die langen Schachtelsätze – ist eigentlich doch unkompliziert, weil man seine manchmal langen Gedankengänge gut nachvollziehen kann. Wie auch mein Freund der Chomsky immer betont, die Sprachkompetenz als ein biologisches Organ ist keiner Ideologie unterworfen, im Gegensatz zu dem was man mit der Sprache alles verrücktes aussagen kann, von Hitler bis wer-weiß wohin, und so ist es ja kein Widerspruch, dass W.G. Sebald und Brigitte Reimann das alles so schön auf Deutsch geschrieben haben und dass Michel Hulse und Lucy Jones das alles so schön ins Englische übersetzt haben. QED. 

 

 

 

 

 

 

 

 



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